Mit diesem Foto begann eine große Geschiechte
 

 

 

Es sind im ersten Moment so unterschiedliche Bilder – doch sie sind sich trotzdem sehr, sehr ähnlich. Hilf- und schutzlos sitzt der kleine Prasert auf den Überresten des Hauses, in dem er mit seinen Eltern gewohnt hatte und in dem er geboren wurde. Er betet zu seinem Gott – zu Buddha und sieht den früheren HÖRZU-Fotografen Uwe Hempen und mich bittend an. Auf sich allein gestellt…..der kleine Kerl. Fast 7 Jahre ist das her.

Titelbild des DEUTSCHLAND-Magazin in der Hand. Beide Fotos nicht gestellt – Zufalls-Aufnahmen. Wir konnten damals den Jungen retten. Er rettete das letzte von 12 Küken. Die anderen hatten Falken aus der Luft gegriffen. „Das Küken bleibt in meinem Zimmer, bis es ein großes Huhn ist“…..sagt Prasert – „dann muß es sich vor den Falken nicht mehr fürchten“.

Das Küken bleibt bei mir, bis aus ihm ein großes Huhn geworden ist

 

 

Darf man das so formulieren…..? Das Küken ähnelt dem Schicksal des Kindes. Als wir es wenige Tage nach dem Tsunami in Kao Lak auf der Halbinsel Phuket – tief im Süden Thailands – den kleinen Jungen durch Zufall fanden, war er in höchster Gefahr. Total überlastete Rot-Kreuz-Helfer hatten mich gebeten: „Herr Siegerist, bitte, kümmern Sie sich um den Jungen. Sie kennen sich doch in Thailand gut aus. Das Kind ist in Gefahr“.

Unvorstellbar – aber wahr – Menschen-Fänger machten Jagd auf Kinder

Und Prasert war in Gefahr. Die Thais sprechen nicht gern darüber, und die Menschen in Deutschland können es sich nicht vorstellen. Aber damals nach dem Tsunami suchten thailändische Menschenhändler in den vom Tsunami verwüsteten Gebieten systematisch und mit hohen Geldbeträgen nach kleinen Kindern. Menschliche „Ware“ und „Nachschub“ für das dreckige Geschäft Kinder-Prostitution und Hinterhof-Sklaven in Bangkok. In der thailändischen Hauptstadt gibt es nach wie vor Kinder, die in Hinterhof-Fabriken mit regelrechter Sklaven-Arbeit ausgebeutet werden…..oft eingeschlossen oder sogar angekettet.

In einer CARITAS-Schule bekommt der Junge eine Zukunft – statt Sklaverei

Die von Max Schmeling und mir gegründete Aktion Reiskorn e.V. hat dafür gesorgt, daß der Junge liebe Pflegeeltern bekommen hat, in einer CARITAS-Schule lesen lernt, auf einen Beruf vorbereitet wird und nicht in die Hände der Menschenfänger geriet. Lesen Sie weiter auf den Innenseiten.
 

 

Mit diesem Tsunami-Foto begann eine große Geschihte

Ein kleiner Tsunami-Waise aus Thailand sitzt betend auf den Trümmern seines elterlichen Hauses. Er hat alles verloren: Eltern, Geschwister, Großeltern – sogar seinen kleinen Hund. 2. Weihnachtstag 2004. 15 Meter hohe Killer-Wellen in Thailand rissen Tausende in den Tod. Oft haben wir darüber berichtet. Doch immer wieder kommt die Frage: „Was ist aus dem Kind geworden?“. Erstmals erscheint das DEUTSCHLAND-Magazin deswegen mit zwei Titel-Seiten. Sehen Sie sich erst den Titel mit Kind und Küken an – und dann lesen Sie bitte die ganze Geschichte. Sie läßt keinen Menschen kalt.

Prasert ist 11 oder 12 Jahre alt. Genau weiß es keiner. Nach dem Tsunami war niemand mehr da, der es dem Kind sagen konnte. Geburtstag? Den feiert Prasert immer am 26. Dezember – gemeinsam mit seinen lieben Adoptiv-Eltern.

Am 26. Dezember tötete der Tsunami seine richtige Familie – nur er blieb am Leben, war zu Besuch bei Freunden in einer höhergelegenen Region. Prasert ist zwar noch ein Kind – aber das versteht er schon: „Mir wurde zwar die Familie genommen – aber zugleich ein zweites Leben geschenkt. War es durch meinen Gott, der sich Buddha nennt – oder durch Euren? Wie heißt der Gott der Christen eigentlich?.....fragt er – und bringt mich für einen Moment in Verlegenheit, als ich antworte, daß der Gott der Christen keinen bestimmten Namen hat – so wie sein Buddha. „Das ist mein Job“…..gibt mir der thailändische CARITAS-Pfarrer durch Handzeichen heimlich zu erkennen, in dessen Schule Prasert gut aufgehoben ist.

Eine etwas andere Schule……..als bei uns in Deutschland üblich.

„Pflicht-Fächer“ in der Urwald-Schule Thailands

„Pflichtfächer“ wie dieses, gibt es wohl nur in der katholischen CARITAS-Schule im Dschungelgebiet von Kao Lak – dort, wo sich kaum Touristen verirren:

Wie schütze ich mich vor Malaria?
Warum sollte man sich täglich gründlich die Zähne putzen?
Wie kann man ein Bambushaus bei tropischem Regen schützen?
Was ist gut…..und was ist böse?
Und speziell für kleine Thais: Warum lächelt man auch im Unglück?

Für Kinder ein besonders schweres Fach – schwerer als Mathematik für deutsche Schulkinder. 

 

In der Nacht kommen die bösen Tsunami-Träume

Plötzlich ein schwerer Tropen-Regen. Alle flüchten in die Häuser. Nur Prasert lacht, reißt sich großes Blatt von den zahlreichen Bananenbäumen und springt lustig im Regen herum. Hat der Junge schon vergessen? „Nein“, sagt die neue Mama. „Manchmal in der Nacht hat er schlimme Träume von hohen Wellen, die ihn mitreißen. Dann ruft er noch immer nach seiner richtigen Mutter – und ich bin dann sehr traurig.“

Trotzdem muß ich es so „herzlos“ formulieren: Prasert hat es noch gut getroffen. Kein Waisenhaus, keine bösen Stiefeltern. Seine neuen Eltern mit den für Deutsche unaussprechlichen Namen sehen in dem Kind einen eigenen Sohn. Einfache Leute. Aber mit Gefühl und Herz. Papa hat aus Holz ein eigenes Haus gebaut. Vor einigen Wochen kleiner Anbau: Ein eigenes Zimmer für Prasert. Für das kleine Küken vom Titelbild des DEUTSCHLAND-Magazin steht dort ein kleiner Drahtkäfig – direkt neben der Reisstroh-Matratze. Praserts „Bett“.

Für Wasseranschluß im Haus und bei den Nachbarn hat die Aktion Reiskorn e.V. gesorgt. Einen Zuschuß gibt es für Lebensmittel und Bekleidung.

Die neuen Eltern sind arm aber herzensgut

Praserts neue Eltern sind arm. Papa arbeitet in einer Kautschuk-Plantage. Das heißt: Aufstehen in der Nacht um 1 Uhr. Dann werden die Gummibäume angeritzt – dabei eine mit Gurt um den Kopf befestigte Leuchte. Bei Sonnenschein würde die Kautschuk-Milch nicht rinnen, in der Sonnen-Hitze sofort eintrocknen.

„Wir können leben“, sagt Praserts Papa. „Die Preise für Kautschuk sind gestiegen. Ich verdiene jetzt mehr als früher“…..sagt er stolz, kritzelt mir auf einen Zettel den „hohen“ Monatslohn von umgerechnet etwa 250 Euro.

Zur Kautschuk-Ernte in tiefer Nacht ein Wecker

„Prasert soll es einmal besser haben als wir“…..sagt der gute Mann. „Ich will zur Marine“…..mischt sich der Junge ein – aber manchmal helfe ich Papa auch beim Kautschuk-Sammeln“. Das stimmt. Dafür hat sich Prasert zum Geburtstag extra einen Wecker gewünscht. Am schulfreien Wochenende stellt er den dann auf Mitternacht – um mit Papa um 1 Uhr in die Plantage gehen zu können. „Ich bin total dagegen“, sagt die Mama „aber keiner kann Prasert stoppen. Er will wohl zeigen, daß er auch helfen kann. Der Junge ist so gut und lieb.“ 

 

Hund, Oma, Eltern – was will ich mehr?

 

 

Die neue und glückliche Familie: Der kleine Prasert (wahrscheinlich 11 oder 12). Mama Songsong (33) und Papa Navcluk (40). Stolz präsentiert Prasert seine von Aktion Reiskorn e.V. gekaufte Schuluniform und ein Schulbuch, Schulbücher müssen in Thailand gekauft werden.


„All die Kinder habe ich Max Schmeling zu verdanken, keine leiblichen Kinder – aber Patenkinder. So um die 250 weltweit sind es. Das kam so: Anfang der „Achtziger“ wurde ich vom thailändischen König eingeladen, ihn einige Tage ins Goldene Dreieck zu begleiten – dort, wo die fast noch steinzeitlich lebenden Menschen das Rauchen von Opium so wenig „unmoralisch“ empfanden – wie wir das Lutschen von Pfefferminzbonbons. Ich sah schreckliches Elend – auch im Schlamm liegende Kinder, die keiner mehr vor dem Hungertod retten konnten.

Nicht nur berichten
Du mußt auch helfen


Schon auf der Rückreise die Idee im Kopf: „Es ist nicht genug, die Menschen als Journalist nur zu unterhalten, informieren, aufklären. Du mußt auch helfen.“

Ich besuchte meinen alten politischen Freund Max Schmeling. Wir sprachen lange miteinander. Er wollte wohl wissen, ob es mir wirklich ernst damit war.

Max Schmeling gab mir
das Startkapital für Reiskorn

Max Schmeling – der hatte nicht nur große Boxerhände. Sein Herz war noch größer. „Maxe“ gab mir das Startkapital für die Aktion Reiskorn – und mein guter Chef, Peter Bachér, ließ mich in HÖRZU über Reiskorn schreiben.

Seitdem habe ich als Vorsitzender der Aktion Reiskorn so viele Patenkinder in der Welt. Der kleine Prasert ist mir besonders lieb. Auch mit der Hilfe unserer Leser hat dieses Kind jetzt ein glückliches Leben. Prasert: „Nach dem Tsunami fand ich meine totgeglaubte Ur-Großmutter wieder. Ich habe Oma, Eltern und einen Hund. Ja – ich bin glücklich.

 

 

„Tsu Tsu“ heißt der zweijährige Mischlings-Rüde, den Prasert liebt. Tsu Tsu besucht Prasert manchmal sogar auf dem Schulhof in der Pause – zur Freude aller Kinder.